Projekt

Das Auge des Arbeiters

Von Februar 2009 bis Januar 2012 konnte im Bereich Volkskunde des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft www.dfg.de das Projekt „Das Auge des Arbeiters. Untersuchungen zur proletarischen Amateurfotografie der Weimarer Republik am Beispiel Sachsens“ durchgeführt werden.

Das Projekt wendet sich dezidiert fotohistorischen und mit volkskundlichen Ansätzen verbundenen Fragestellungen zu und geht damit über die bisher dominant presse- und politikgeschichtlichen Aspekten gewidmeten Forschungen hinaus. Die auf die Fotografien angewandte Bildanalyse sucht deren Aussagegehalt nicht nur über die Bildthemen zu erschließen, sondern darüber hinaus auch über Aspekte der Motivwahl und der Gestaltungsweisen im Kontext der jeweils zeitgenössischen Bildwelten zusammen mit den sozialen Formen der Produktion und Distribution zu ermitteln.

Es war in diesem Zusammenhang erstmals möglich, in insgesamt vier Aufenthalten die Spuren deutscher Arbeiterfotografen in Moskauer Archiven zu recherchieren. In Sachsen führte die Kooperation des Instituts mit der Deutschen Fotothek der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, den Kunstsammlungen Zwickau und den Museen der Stadt Dresden dazu, dass bedeutende Sammlungsbestände als Quellenmaterial für die eigenen Forschungen erschlossen wurden. Die ca. 5.000 Motive sind überwiegend online verfügbar und stehen damit für weitere Recherchen unter anderen Gesichtspunkten bereit.

Auf dieser Grundlage entstanden unter der Projektleitung von Manfred Seifert, mit Wolfgang Hesse als Bearbeiter sowie Korinna Lorz, Sylvia Metz, Ursula Schlude und Carsten Voigt als zeitweisen Mitarbeitern, eine Reihe problemorientierter Fallstudien. Sie tragen zum Verständnis der Arbeiterfotografie als nichtbürgerlicher Amateurbewegung bei, die in ebenso spezifischer wie widersprüchlicher Weise die sozialen und politischen Auseinandersetzungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts mitformte, indem sie die Bedürfnisse der Akteure an der Basis in ihren Milieus mit den Erfordernissen der KPD-Propaganda in den neuen Formen von Öffentlichkeit am Beginn der Medienmoderne zu vereinbaren suchte. Damit leisten die Untersuchungen nicht allein einen Beitrag zur Geschichte der Visualität und von amateurischen Kulturen, sondern auch zu den Diskussionen über die Rolle der Arbeiterfotografie als prägendem Einflussfaktor auf die „sozialdokumentarische“ Fotografie, wie sie z.B. 2011 auf internationaler Ebene mit der Ausstellung „A hard, merciless Light. The Workers Photography Movement 1926–1938“ im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid, geführt worden sind.

Die folgenden Seiten geben einen Überblick über die Quellenbestände, die in diesem Rahmen erschlossen werden konnten, sowie über die Studien, die im Kontext des Forschungsprojekts entstanden sind. Eine Auswahl von Publikationen steht zudem als PDFs der Lektüre zur Verfügung.

Das ISGV dankt der Deutschen Fotothek (Jens Bove) sowie den Herausgebern und Verlagen der Publikationen für die überaus entgegenkommende Bereitschaft, die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen: Thelem Universitätsverlag Dresden (Eckhard Heinicke), Jonas Verlag Marburg (Dieter Mayer-Gürr), Kunstsammlungen Zwickau (Petra Lewey), Waxmann-Verlag Münster (Patrick Schmitz), Kunsthistorisches Institut TU Dresden (Bertram Kaschek), Fototext Verlag Stuttgart (Wolfgang Jaworek) und Passage-Verlag Leipzig (Thomas Liebscher).

Weitere Texte unterliegen gesetzlichen Schutzfristen oder sind in Vorbereitung. Sie sind auf diesen Seiten aufgelistet und sollen zur gegebenen Zeit ebenfalls hier nachveröffentlicht werden. Der Vollständigkeit halber sind in der Bibliografie zusätzlich kleinere und teils pragmatische Publikationen aufgeführt.

Manfred Seifert, Wolfgang Hesse

 

Arbeiterfotografie als bildwissenschaftliches Ausstellungskonzept

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen des dreijährigen DFG-Projekts zur Arbeiterfotografie der Weimarer Republik erarbeitet das ISGV seit Anfang April 2013 zusammen mit Partnerinstitutionen eine Ausstellung. Sie soll 2014 in den Kunstsammlungen Zwickau im Rahmen von deren 100-Jahrfeierlichkeiten und dem Käthe Kollwitz Museum Köln während der photokina sowie im Frühjahr 2015 im Stadtmuseum Dresden gezeigt werden.

Die Ausstellung wird dem Publikum mit seinen reichen Erfahrungen im Fotografieren und der Bilderflut des Internet die Amateuraufnahmen vom Beginn der Medienmoderne als Vor- und Frühgeschichte dieser Kultur nahezubringen suchen. Das Konzept der Präsentation sieht vor, die Arbeiterfotografien mit Stadtbildern, Plakaten, Malerei und Grafik der Zeit um 1930 zu konfrontieren: Dabei entsteht im „Blick von unten“ ein kritisches Bild der Zwischenkriegszeit.

Die zweijährigen Vorbereitungsarbeiten sind dadurch möglich geworden, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Antrag des Instituts auf Bewilligung eines Erkenntnistransferprojekts zugestimmt hat. Für das geplante Begleitbuch konnten renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Autoren gewonnen werden. Zum Abschluss ist eine Tagung geplant.